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Etymologie:

Mehr als die Geschichte eines Wortes –
die (Kultur-)Geschichte der Sprache

Sprache verändert sich ständig. Maßgeblich scheint dabei der Einfluss von Fremdsprachen zu sein: heutzutage des Englischen, davor des Französischen und noch früher des Lateinischen. Einen sehr starken Faktor, der jedoch nicht so stark auffällt und deswegen auch nicht derart angefeindet wird, stellen die Fachsprachen etwa aus dem Wissenschaftsbereich oder Gruppensprachen wie bei Jugendlichen dar. Aber die Veränderungen setzen bereits bei der persönlichen Sprechweise an: Jeder versucht sich etwas originell auszudrücken, was einen zum Teil individuellen Sprachgebrauch auslöst, der eventuell im Austausch mit anderen unbewusst Schule macht.

Der Wandel einer Bedeutung ist selbst in einer Lebensspanne zu bemerken: Vor 30 Jahren wurde bei einem Satz wie "Er realisiert ihre Pläne." verstanden, dass er ihre Pläne verwirklicht, umsetzt. Heutzutage ist die bevorzugte Verstehensart, dass er ihre Pläne durchschaut. Das aus dem Französischen übernommene Wort hat durch den Einfluss des Englischen eine Zusatzbedeutung erhalten, die sich durchzusetzen scheint.

Seitdem Menschen begonnen haben, Wörterbücher zu schreiben, kann man eine solche Entwicklung über Jahrhunderte verfolgen. Die Methoden der Vergleichenden Sprachwissenschaft ermöglichen es, über die darin stehenden Fakten zu verallgemeinern und sogar weit vor den Zeitpunkt der ältesten Wörterbücher zurückzugehen.

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Die Vergleichende Sprachwissenschaft

Bis ins achtzehnte Jahrhundert reichen die Anfänge der so genannten "Vergleichenden" Sprachwissenschaft zurück. Unter diesem Namen versuchte man einen ähnlichen Erkenntnisgewinn, wie ihn die Naturwissenschaften zu jener Zeit mittels vergleichender Methoden erzielen konnten, zu erreichen: In der Biologie hatte z.B. der anatomische Vergleich zwischen verschiedenen Lebewesen die Grundlage für Theorien über Verwandtschaftsbeziehungen gebildet. Dabei gelang es, die Kategorien des Vergleichs als Strukturelemente für eine Systematisierung des gesamten Forschungsgegenstands zu erhalten. Dieses System konnte später auch historisch interpretiert werden, was im Beispiel der Biologie in der Theorie der Evolution gipfelte.

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Auffallende Ähnlichkeiten zwischen den alten Sprachen

Im Falle der Sprachwissenschaft gelang es, vom jeweils ältesten bekannten Sprachzustand aus (Altgriechisch, Altlatein, Althochdeutsch, Gotisch, Altirisch, Altpersisch, Altindisch, ...) Ähnlichkeiten zu entdecken und Gesetzmäßigkeiten für die sprachspezifischen Unterschiede zu entwickeln. So fanden sich in sehr häufigen Wörtern große Übereinstimmungen, etwa in den jeweiligen Wörtern für 'Vater':

altindisch              "pitar"

altgriechisch        "patér"

altlateinisch         "pater"

Die Folge der Konsonanten (Mitlaute) "p-t-r" ist gemeinsam, was für Sprachen, die weit voneinander entfernt gesprochen wurden und über Jahrhunderte keinerlei Kontakt zueinander aufwiesen, sehr bemerkenswert ist: Es liegt nahe, darin keinen Zufall zu sehen, sondern eine verwandtschaftliche Beziehung.

In den entsprechenden Wörtern der germanischen Sprachen (heute z.B.: deutsch "Vater", englisch "father") fand sich jedoch ein "f"-Laut, wo die anderen Sprachen einen "p"-Laut aufweisen. Ebenfalls weist das Englische mit dem "th" (also dem "ti-äjtsch") – einem zwischen Zungenspitze und oberer Zahnreihe geriebenen Laut (einem so genannten "dentalen Frikativlaut") – einen von der anderen Sprachen verschiedenen Laut auf. Es gelang, mittels vieler Wörter und der entsprechenden Vergleiche so genannte Lautentsprechungsregeln aufzustellen. Für die oben genannten Wörter erbrachten diese Regeln, dass ein anlautendes "p" in den allermeisten Sprachen einem "f" in den germanischen Sprachen entsprach. Ein "t" entsprach in den germanischen Sprachen an bestimmten Stellen im Inneren eines Wortes immer einem "th"-Laut, der jedoch in bezug auf das Deutsche nur in Vorläufersprachen gefunden werden konnte: Er hatte demnach keinen Bestand und entwickelte sich zum "t" zurück.

Die häufigen Wörter (Verwandtschaftsbezeichnungen, Zahlwörter, Tiernamen, etc.) bilden den Fundus, aus dem sich die Vergleichende Sprachwissenschaft bedienen konnte, um die Lautentsprechungen zwischen den Wörtern verwandter Sprachen aufzustellen. Dies liegt u.a. daran, dass es generell die Kommunikation hemmt, ohne Not ein anderes Wort für etwa "zwei" zu entwickeln. Doch auch ein Wort wie "Vater" kann durch ein anderes ersetzt werden: Es wäre z.B. denkbar, dass sich im Deutschen der Spitzname "Alter" durchsetzt (auch wenn dies als wenig nette Bezeichnung aufgefasst wird; immerhin speist sich das Wort "Eltern" – 'die Älteren' – aus derselben Quelle). So sind z.B. die Wörter in den bislang erwähnten Sprachen für 'Bruder' nicht alle miteinander verwandt. Dies kann auch am Spanischen demonstriert werden: Während das lateinische Wort "frater" noch mit "Bruder" in Verbindung gebracht werden kann, gilt das für das spanische "hermano" nicht. Aus diesem Grunde müssen auch Wörter ähnlicher Bedeutung untersucht werden.

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Bedeutungswandel

Will man die Wörter verschiedener Sprachen miteinander vergleichen, reichen die Wörter, die exakt dasselbe bedeuten, nicht aus. Man muss Wörter hinzunehmen, die nur ähnliche Bedeutung besitzen: Wer das Englische kennt, weiß, dass das englische Wort für 'Flasche' "bottle" lautet. Nun wissen wir aber aus dem Ohnsorg-Theater, dass es zumindest im Norddeutschen auch die "Buddel" gibt, die sicherlich mit der englischen "bottle" zusammenhängt. Zudem gibt es auch im Englischen etwas, das sehr stark an "Flasche" erinnert: "flask" = 'Kolben', 'Reiseflasche'. Oder: Unser umgangssprachliches oder scherzhaftes Wort für 'Hose' "Buxe" stellt im Grunde das Standardwort für 'Hose' im Schwedischen dar: "byxa". Man sieht, dass man sich für die verwandtschaftliche Entsprechung eines Wortes in einer anderen Sprache vielleicht etwas weiter umsehen muss.

Es ist auch möglich, dass ein Wort seine Bedeutung noch stärker verändert hat. Ursache kann z.B. sein, dass zwei Wörter unterschiedlicher Bedeutung im Laufe von Jahrhunderten lautlich zusammenfallen: Sprachen neigen dazu, ihre Wörter zu verkürzen oder Konsonantengruppen (so genannte Cluster) zu vereinfachen. Dadurch kann es passieren, dass zwei Wörter sich zu ähnlich werden, als dass der Unterschied, der notwendig ist, um die Kommunikation nicht zu sehr zu erschweren, erhalten bliebe. In diesem Fall weichen die Sprecher unbewusst entweder bei dem etwas selteneren Wort oder aber bei demjenigen Wort der beiden, zu dem es mehr Wörter ähnlicher Bedeutung gibt, aus. Ein inhaltlich ähnliches Wort bekommt mit der Zeit die Aufgabe übertragen, die Bedeutung eines der beiden lautlich zu ähnlich gewordenen zu übernehmen.

Das überflüssig gewordene Wort wird ungebräuchlich und stirbt aus, oder es wird in seiner Bedeutung freier, so dass es allmählich einen ganz anderen Sinn erlangt. So kommt es, dass auch Wörter in Betracht gezogen werden müssen, die ähnliche oder übertragene Bedeutung besitzen, z.B. 'Kopf' und 'Spitze', oder 'Rad', 'Felge' und 'Kreis' (s.u.) etc.

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Die indo-germanische Sprachfamilie

Da solche lautlichen Entsprechungen für viele Wörter galten und nicht nur für einzelne, schloss man darauf, dass die Sprachen miteinander verwandt sein müssten. Man sortierte sie in die so genannte "indo-germanische" Sprachfamilie ein. Dieser Ausdruck ist in der Vergangenheit oft kritisiert worden, da er das Indische und das Germanische zu stark gegenüber den anderen Familienzweigen (dem keltischen, dem lateinischen und romanischen, dem griechischen, dem persischen etc.) hervorhebe. Es wurde der Ersatzbegriff "indo-europäisch" entwickelt, dem jedoch wiederum vorgeworfen wird, dass er diejenigen europäischen Sprachen missachtet, die nicht mit den sonstigen verwandt sind: ungarisch, finnisch, estnisch, türkisch und baskisch. Mittlerweile setzt sich die Bezeichnung "indo-germanisch" als Klammerbezeichnung in bezug auf das Verbreitungsgebiet der miteinander verwandten Sprachen wieder durch: vom äußersten Punkt im Südosten – dem Indischen (Hindi) – bis zum äußersten Punkt im Nordwesten – dem Germanischen (Isländisch).

Zur indogermanischen Sprachfamilie gehören die folgenden Zweige:
  1. bestimmte indische Sprachen wie das Hindi,

  2. persische Sprachen wie auch das Kurdische,

  3. das Griechische,

  4. das Lateinische und seine Abkömmlinge – die romanischen Sprachen Französisch, Spanisch, Italienisch, Portugiesisch, Rumänisch, das Rätoromanische in der Schweiz, das Katalanische und Galizische in Spanien und einige weitere kleinere –,

  5. die keltischen Sprachen, die wir noch in Irland, in Schottland und Wales und in der Bretagne finden,

  6. die slawischen Sprachen (Russisch, Polnisch, Tschechisch, Slowakisch, Slowenisch, Kroatisch, Serbisch, Bulgarisch etc.),

  7. die baltischen Sprachen (Litauisch, Lettisch und das tote Altpreußisch (!) – Estnisch ist keine damit verwandte Sprache, auch wenn es die Staatssprache in einem baltischen Land ist)

  8. und neben vielen anderen, schon toten Sprachen (Hethitisch, Tocharisch, ...) auch

  9. die germanischen Sprachen.
Zu den germanischen Sprachen gehören neben dem Deutschen auch das Englische, das Niederländische (zusammen mit dem norddeutschen "Plattdeutschen" – zusammen genommen das so genannte Niederdeutsche), das Friesische und die skandinavischen Sprachen – Dänisch und Schwedisch, Norwegisch, Isländisch und Färöisch. Das Finnische wiederum ist keine indogermanische Sprache: Es ist nicht mit den skandinavischen Sprachen verwandt, auch wenn es die Staatssprache in einem skandinavischen Land darstellt.

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Der gemeinsame Vorläufer: Das Indo-Germanische

Es traten gleich mehrere Fragen in den Vordergrund. Die untersuchten Sprachen mussten demzufolge einen gemeinsamen Ursprung haben, den man die indo-germanische Sprache nannte. In bezug auf diese Muttersprache stellten sich u.a. die folgenden Fragen: Wenn die Sprachen so wie oben voneinander abweichen, welche zeigen denn den ursprünglicheren Zustand, welche haben sich weiter vom Ursprung entfernt? Wie kommt es überhaupt zu unterschiedlichen Entwicklungen? Und wie hängen die unterschiedlichen Vokale – Selbstlaute "a", "e", "i", etc. – zusammen?

Die unterschiedlichen Entwicklungen führt man auf dialektale Aufsplitterung zurück. Zum Zeitpunkt der "Erfindung" von Sprache waren die Menschen noch nicht sesshaft. Teile der umherziehenden Nomadenstämme entfernten sich weiter voneinander, man bevölkerte neue Gegenden, mit unterschiedlicher Flora und Fauna, für die man neue Bezeichnungen brauchte oder sie von den Menschen, die dort bereits lebten, übernahm. Geographisch voneinander getrennt und damit ohne Kontakt entwickelten sich die ursprünglich sehr ähnlichen Dialekte unterschiedlich, sie nahmen verschiedene Einflüsse anderer Sprachen auf, etc.

Die Frage, welche Sprachen den ursprünglicheren Zustand zeigen, konnte mittels sprachgeographischer und -typologischer Erkenntnisse beantwortet werden. Die Sprachgeographie beschäftigt sich gerade damit, wie sich in einem Gebiet, z.B. einer großen Insel, Dialekte herausbilden und unterschiedliche Sprachen entstehen bzw. Sprachen sich durch nachbarschaftliche Berührung beeinflussen. In der Sprachtypologie befasst man sich u.a. damit, ob historische Lautentwicklungen von A nach B genauso "natürlich", d.h. auch genauso häufig sind wie die von B nach A. So konnte beschrieben werden, dass die Entwicklung von "p" zu "f" wesentlich häufiger vorkommt als die umgekehrte. Gleichzeitig zeigt sich die Entwicklung zu "f" auch lediglich an wenigen Rändern des indogermanischen Verbreitungsgebiets.

Dies alles führt zu der Vermutung, dass das indo-germanische Wort für 'Vater' mit "p" begonnen haben muss.

Für die unterschiedlichen Vokale werden übrigens Konsonanten – Mitlaute – verantwortlich gemacht, die nicht erhalten seien. Das hört sich für Laien erst einmal merkwürdig an, jedoch konnte hieran die Vergleichende Sprachwissenschaft ihren Status als Wissenschaft überhaupt erst endgültig beweisen. Was eine Wissenschaft zu sein behauptet, muss in der Lage sein, aufgrund der Erkenntnisse, die mit exakten Methoden erzielt wurden, Vorhersagen zu treffen, die anschließend in der Praxis zutreffen müssen.

Das ist naturgemäß schwierig bei einem Forschungsgegenstand, der unrettbar verloren ist, wie eine Sprache, bei der es noch keine Schriftkultur gab oder deren Schriftzeugnisse verloren gingen. Doch konnte die Vergleichende Sprachwissenschaft aus ihren Erkenntnissen zu theoretischen Schlüssen gelangen, die anschließend bei der Entschlüsselung der damals noch unverständlichen Schrifttafeln des Hethitischen in der heutigen Türkei belegt werden konnten. Seitdem geht man unter dem Stichwort "Laryngaltheorie" davon aus, dass sich die unterschiedlichen Vokale vornehmlich dem Einfluss bestimmter benachbarter Konsonanten verdanken, die jedoch in den heutigen Sprachen nicht mehr existieren.

Aufgrund des Vergleiches mit anderen Sprachfamilien – besonders der semitischen (deren Hauptvertreter das Arabische und das Hebräische sind) – stellt man sie sich als Laryngallaute, d.h. Rachenlaute, vor.

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Rekonstruktion

In der Vergleichenden Sprachwissenschaft versteht man unter Rekonstruktion die Anwendung der Erkenntnisse über die lautliche Entsprechung zwischen bekannten Sprachen zusammen mit den Theorien der Sprachtypologie und -geographie auf die miteinander verwandten Wörter der ältesten bekannten Sprachen. Dabei erschließt sich ein gemeinsamer Vorläufer dieser Wörter heraus, den man als vermutete Quelle – Mutterwort – aus dem Indogermanischen annimmt. Da man kenntlich machen will, dass solche Wörter nur erschlossen, nicht aber an Schrifttafeln oder Ähnlichem nachgewiesen sind, markiert man sie mit einem hochgestellten Sternchen am Anfang.

Die in den Schriftsprachen belegten Nachfolger verhalten sich zueinander entsprechend als Schwestern: Sie stellen den Reflex des Mutterworts in einer bestimmten Sprachstufe dar. Das Vorläuferwort der bereits bekannten Wörter "Vater", "father", "patér", "pater", "pitar" lautet nach den Erkenntnissen der Indogermanistik nicht ganz überraschend

*pater

Hierbei sind die durch die Laryngaltheorie gegeben Hinweise auf bestimmte (Hauch-/Rachen-)Laute, die den Klang der Selbstlaute verändert haben, vernachlässigt. Während eine solche Rekonstruktion bei derart ähnlichen Wörtern noch nahe liegt, schafft es die Vergleichende Sprachwissenschaft mit der Erfahrung mehrerer Jahrhunderte, den gemeinsamen Vorläufer für z.B. das deutsche "Felge", das englische "wheel" (= 'Rad') und das griechische "kyklos" ('Kreis', von dem das deutsche Fremdwort "Zyklus" stammt) zu rekonstruieren:

*kwekwlo

(angenommene Bedeutung: 'Dreher', 'sich Drehendes'; das "k" mit dem hochgestellten "w" wird lautlich als ein "k" mit gleichzeitiger Lippenrundung, also wie im deutschen "Quelle", vorgestellt.)

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Das Indogermanische – revisited

Aufgrund der umfangreichen Rekonstruktionsarbeiten der vergangenen Jahrzehnte wird der Wortschatz des Indogermanischen für einen Zeitpunkt von vor etwa 6.000 Jahren in der Indogermanistik als erschlossen angesehen. Man geht davon aus, dass lediglich der Satzbau noch nicht erschlossen ist – da dieser nicht aus den Verwandtschaften zwischen einzelnen Wörtern hervorgeht –, ansonsten könnten Forscher sich in einer Sprache unterhalten, die vor Jahrtausenden zuletzt gesprochen und nie verschriftet wurde.


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zuletzt aktualisiert am 22.08.2005