Während sich die Elemente einer Sprache ständig verändern, bleibt bei denjenigen Sprachen, die eine Schriftsprache hervorgebracht haben, durch die jeweiligen Rechtschreibungsregeln immer ein etwas älterer Sprachgebrauch im Schriftbild erhalten. Die Rechtschreibung hinkt demnach der Entwicklung logischerweise hinterher: Sie ist immer antiquiert.
Sehr deutlich kann man das am Englischen sehen: Das Schriftbild erlaubt in den wenigsten Fällen zutreffende Vorhersagen über die Aussprache des Wortes. Auch im Deutschen kann man eigentlich nicht behaupten, dass "etwas so gesprochen wird, wie es geschrieben wird".
Es gibt Schriftzeichen, die unterschiedlichen Lauten entsprechen, je nachdem wie die lautliche Umgebung aussieht: So wird das "s" in "reisen" anders ausgesprochen als in "reist". Oder eine Kombination mehrerer Schriftzeichen darf nur als ein Laut wiedergegeben werden: "ie" oder "ch" etwa. So entspricht dem "sch"-Laut meistens eine Kombination aus drei Schriftzeichen (außer wenn der Buchstabe "s" direkt vor einem "t" oder einem "p" am Anfang eines Wortes steht). Dies reflektiert einen längst schon vergessenen Zustand, an dem an jedem der Buchstaben der Einfluss eines Lautes festgemacht werden konnte.
Man kann grob sagen, dass, wenn für die Verschriftlichung einer Sprache erstmalig eine Alphabetschrift verwendet wird, man sich bemüht, tatsächlich ein 1:1-Verhältnis von Lauten zu Buchstaben darzustellen. Doch die sich ergebenden Schriftnormen halten nicht mit der anschließenden Entwicklung Schritt.
Dies kann nach Einschätzung vieler zu großen Problemen führen, während ein Kind zu schreiben lernt. Es gibt Verwirrungen, es prägt sich leichter Fehler ein – kurz: Es muss noch viel lesen, um sicher in leicht zu verwechselnden Schreibweisen zu werden. Letztlich ist es möglich, Englisch fehlerfrei zu schreiben, dann sollte es erst recht auch im Deutschen gehen.
Dennoch kann man den Ansatz verstehen, eine Rechtschreibung zu entwickeln, die dem Entwicklungsstand stärker Rechnung trägt. Hier kann man eine der beiden extremen Positionen einnehmen: Einerseits kann man fordern, dass Goethes Werke nicht anders geschrieben werden dürfen als zu seiner Zeit – also sehr oft mit einem "h" hinter einem "t", wo wir es für falsch halten: etwa bei "Thür". Andrerseits könnte man die Position einnehmen, dass man tatsächlich so schreiben sollte, wie man spricht: Jedem Laut nur einen Buchstaben zuordnen und jedem Buchstaben auch eindeutig nur eine Aussprechvariante – wie bei einer Lautschrift etwa.
In den letzten 20 Jahren ist die klassische Rechtschreibung (ihrerseits amtlich in Teilen des deutschsprachigen Raums seit etwa 1880, im gesamten Raum erst seit 1901/03) einer Überprüfung unterzogen worden. Im Auftrag staatlicher Stellen erarbeiteten Kommissionen aus Germanisten Vorschläge dafür, wie die deutsche Rechtschreibung so modifiziert werden kann, dass sie leichter erlernbar ist. Im Kern geht es um Regeln zur vereinfachten Zeichensetzung und zu Trennungsregeln, zu einer dem System der deutschen Rechtschreibung stärker entsprechenden Schreibung der "s"-Laute, zur Zusammen- und Getrenntschreibung von Wörtern, zu einer Vereinfachung der Schreibung verwandter Wörter ("Stange" und "Stängel" statt "Stengel", "aufwändig" zu "Aufwand" – jedoch nicht zu "aufwenden"?) und zur Fremdwortschreibung.
Die erarbeiteten Vorschläge wurden mehrfach überarbeitet und sind seit dem 1. August 2005 allein gültig. D.h. dass in Schulen und staatlichen Institutionen nur noch die Neue Rechtschreibung gelehrt und verwendet werden darf. Es war immer klar, dass für einen Erfolg der Reform auch Einigkeit mit den Verlagen erzielt werden muss: Solange Zeitungen und Bücher anders geschrieben sind, als Schüler es lernen, kann man schlecht von einer Vereinheitlichung sprechen.
Während die Verlage in den Neunzigern mitgezogen haben, sind sehr viele einflussreiche Häuser in den letzten Jahren wieder zur bisherigen Rechtschreibung zurückgegangen. Sie reagieren damit auf eine breite Kritik an der Reform, die maßgeblich von Schriftstellern getragen wird und sich in der Sache in erster Linie dagegen richtet, dass Ausdrucksmöglichkeiten durch die rigideren Regeln für die Getrennt-/Zusammenschreibung verloren gegangen sind.
Die Fronten scheinen im Moment verhärtet zu sein. Das Nebeneinander der unterschiedlichen Rechtschreibungen hat zu einem Zustand geführt, der wiederum auch von einigen begrüßt wird – als kreativer Freiraum sozusagen.
In diesem Spannungsfeld beginnt sich auch eine Tendenz zur Verwendung einer modifizierten Form der Neuen Rechtschreibung durchzusetzen. In ihr werden die vereinfachten Kommaregeln begrüßt und als Möglichkeit gesehen, die nicht obligatorischen Kommata dort zu setzen, wo sie den Lesefluss befördern. Analog werden Getrennt- und Zusammenschreibung in erster Linie unter pragmatischen Gesichtspunkten gesehen. Keine Aufweichung der neuen Regeln findet hingegen bei der Schreibung der "s"-Laute statt: Die Neue Rechtschreibung wird in diesem Fall für erheblich logischer und einfacher erlernbar gehalten. Zwar muss man sich an das "dass" erst gewöhnen, jedoch merkt man schnell, wie viel leichter es doch ist, "Gruß" und "Kuss" anders zu schreiben, weil es anders gesprochen wird.
euglottia korrigiert je nach Wunsch nach den neuen amtlichen Regeln, nach den alten Regeln oder nach der modifizierten From der Neuen Rechtschreibung. Sie können mit unserer Hilfe selbstverständlich auch die Regeln erlernen: euglottia erklärt Ihnen gern die Begründung für eine Änderung auf eine solche Weise, dass sie verständlich wird und auch im Gedächtnis bleibt.