Genau wie unsere Zunge ist auch unser Gehör in den ersten Lebensjahren auf die Laute unserer eigenen Sprache eingestellt worden. D.h. es ist nicht nur schwierig für uns, einen anderen Sprachlaut zu produzieren, das Problem beginnt schon beim Hören. Erst wenn man den fremden Laut oft gehört hat, gelernt hat, ihn wahrzunehmen, – am besten im direkten Unterschied zu ähnlichen Lauten unserer Sprache –, kann man daran gehen, die Produktion zu erlernen. Unsere Zunge kann nichts, bevor unserer Ohr es nicht erkannt und unser Gehirn es analysiert hat.
Berühmte Beispiele dafür sind die "r/l"-Verwechslungen asiatischer Muttersprachler. Sie kennen beide Laute, aber sie unterscheiden sie nicht. Deswegen hören sie nur ihre persönliche Ausprägung dieses einen Lautes, obwohl sie zwei sehr unterschiedliche präsentiert bekommen. Da sie nur einen hören, produzieren sie beim Wiederholen auch nur den ihren. Erst wenn man das Bewusstsein für das Problem erworben hat und den Unterschied zu hören beginnt, kann man an die Produktion zweier Laute gehen.
Für uns gilt dasselbe: Jeder kann Lispeln nachmachen, aber das gelispelte "th" des Englischen an die richtige Stelle zu setzen, stellt uns vor Probleme, vor allem wenn es sich schnell mit anderen "Zisch"-lauten abwechselt. Zum Üben der Anfang des Songs "In the City" von The Jam aus dem Jahre 1977 – es handelt sich also nicht um einen Zungenbrecher:
"In the city there's a thousand things I wanna say to you."
Ein weiteres Beispiel dafür, wie wenig man in der Lage ist, die Sprachlaute aus anderen Sprachen wahrzunehmen, findet man in dem weltberühmten Song "Pota pota" von Miriam Makeba. Dort kann man mit einiger Konzentration im Refrain Knacklaute hören. Dabei handelt es sich um Schnalzlaute einiger südafrikanischer Sprachen, die dort dieselbe Funktion haben wie unsere "s" oder "p" – normale Sprachlaute. Wir nehmen sie aber zunächst überhaupt nicht oder als die Töne eines Percussion-Instruments wahr. Erst mit der Hilfe eines Menschen, der sich praktisch oder theoretisch damit beschäftigt hat, sind sie als Sprachlaute erkennbar.
Das Problem besteht also zunächst darin, den Laut überhaupt wahrzunehmen und nicht anstelle des fremdsprachigen Lauts den ähnlichsten der eigenen Muttersprache zu "hören". Dann muss man gezeigt bekommen, wie der Laut sich anhört, – am besten im Gegensatz zu einem anderen, mit dem er verwechselt werden kann. So würde man einem Asiaten, in dessen Muttersprache nicht zwischen "r" und "l" unterschieden wird, zum Erlernen des Deutschen immer wieder so genannte Minimalpaare präsentieren, Paare aus Wörtern, die nur in dem gefragten Laut differieren: "laufen" vs. "raufen", "leise" vs. "Reise", "hellen" vs. "Herren", "Halm" vs. "Harm" etc. Da verschiedene Bedeutungen mit diesen Wörtern verknüpft sind, fällt es leichter, die physikalischen Unterschiede wahrzunehmen.
Bestehen anschließend immer noch Probleme in der Produktion des fremden Lautes, muss man erfahren, wie der Laut gebildet wird, d.h. welches Artikulationsorgan wie daran beteiligt ist: wie die Zunge bewegt wird, wie sich die Lippen verhalten, ob die so genannten Stimmbänder (eigentlich -lippen) dabei vibrieren und wie der Luftstrom sein sollte – auch durch die Nase oder nur durch den Mund.
Man sieht, dass die richtige Aussprache einer fremden Sprache keinesfalls selbstverständlich ist. Es bedarf einiger Übung und auch der Betreuung durch eine Person, die sicher mit fremden Lauten umgehen kann.
Ob es sich um geographische oder Personen-Namen handelt, wir sind oft mit der eingedeutschten Aussprache fremdsprachigen Materials konfrontiert, sei es, dass wir es in Radio, Fernsehen oder persönlichen Erlebnisberichten hören, sei es, dass wir solche Namen in der Zeitung, im Internet oder in Büchern lesen: Auch dann brauchen wir eine "innere" Aussprache des Namens. Dabei sollte man nicht zuviel verlangen, weder von sich selbst noch von den Rundfunksprechern und -sprecherinnen. Niemand muss zu London 'landen', zu Paris 'pari' oder zu Göteborg 'jöteborj' sagen. Und niemand sollte bei Madrid oder Barcelona zum Lispeln gezwungen werden. Wir sagen weiterhin Spanien und Griechenland, ohne das Land in der Heimatsprache aussprechen zu müssen, – das Ergebnis eines überzogenen Anspruchs wäre ja auch lediglich, dass deutsche Gesprächspartner nicht verstünden, wo einer war, der von 'ellas' berichtet, lediglich zufällig zuhörende Griechen würden zumindest ein Wort in dem Satz verstehen. Die deutschen geografischen Namen beizubehalten ist eben genauso akzeptabel wie 'börlin', 'amburgo' und 'dschörmeni'.
Schwierig wird es jedoch, wenn Halbwissen und intellektueller Anspruch zu leider nur vermeintlich richtigen Aussprachen führen vor allem im Bereich der Personennamen, für die es natürlich keine traditionelle deutsche Form wie für die Städte oder Regionen gibt. So wird fleißig der ungarische Fußballer von Werder Bremen Lisztes mit 'lischtäs' wiedergegeben statt mit 'listäsch', der brasilianische Fußballer Marcelinho bei Hertha BSC Berlin wird plötzlich – nachdem es jahrelang gut ging – 'martschelinjo' ausgesprochen statt des richtigeren 'marselinjo', neuerdings fängt man sogar an, bei diesem Namen zu lispeln, was im Portugiesischen und Brasilianischen überhaupt nicht vorkommt. Und der Pariser Stadtteil St. Germain wird mit nur scheinbarer Kenntnis der Aussprache französischer Nasalvokale fleißig so ausgesprochen, als hieße er "Sont Germain". Bereits ein kurzer Blick auf die Schreibweise verrät jedoch, dass "saint" mit demselben Laut gesprochen werden muss wie "Germain".
In der Sprachwissenschaft nennt man es Hyperkorrektur, wenn man aus dem sprachlichen Wissen über eine andere Sprache oder einen anderen Code zu stark verallgemeinert und deswegen Fehelr produziert, wenn man folglich "zu sehr" in der anderen Sprache redet. Ein weiteres Beispiel hierfür ist die Aussprache selbst sehr guter Englischsprecher aus Deutschland: Hier wird sehr oft die Aussprache bei englischen Wörtern, die mit dem Buchstaben "v" geschrieben werden, "zu" englisch, indem sie mit dem "double-u" (lautschriftlich "w") wiedergegeben werden.
Eigentlich ist es ganz leicht: Jedes geschriebene englische "w" wird lautlich mit dem "w" der Lautschrift wiedergegeben – einem Laut, den wir aus Doppelvokalen wie "au" und "eu" kennen oder z.B. aus den englischen Wörtern "what" und "where". Einzige Ausnahmen sind das immer stumme "w" vor "r" im Anlaut ("to write") oder das manchmal stumme "w" vor "h" wie in "who" oder hinter "s" wie in "sword". Jedes geschriebene "v" hingegen hört sich wie ein deutsches Wald-"w" an. D.h. dass sich die Namen "Valene", "Valery" und "Virginia" auch wie "welihn", "wällery" und "wördschinja" anhören sollten. Immer öfter hört man hierbei jedoch in synchronisierten Filmen oder TV-Serien ein "double-u", also eine falsche, weil "zu" englische Aussprache mit der "v/w"-Verwechslung.
Ähnlich wird sich wohl nie durchsetzen, dass der Fahrzeugdesigner Ghia nicht "zu" italienisch "dschia", sondern den Regeln der italienischen Verschriftlichung folgend "gia" ausgesprochen wird, denn das Italienische schreibt ein "h" genau dann zwischen ein "g" und ein "i", wenn es sich nicht um ein "dsch" handelt, genau wie bei den Spaghetti, bei denen es komischerweise noch niemand mit dem doch viel italienischer klingenden "spadschetti" probiert hat ...
Wenn folglich der Anspruch herrscht, dass – insbesondere im Englischen, das seit Jahrzehnten in jeder Schulform gelehrt wird und deswegen als einigermaßen bekannt gelten dürfte, – fremdsprachige Wörter und Namen möglichst naturgetreu wiedergegeben werden, sollte man einerseits die Grenzen für deutsche Ohren beachten, so dass man nicht beim Versuch zuzuhören so sehr abgelenkt wird, dass die Konzentration für den Inhalt verloren geht. Andererseits sollte bei der Realisierung mehr als ein Halbwissen zugrunde gelegt werden.
Im Grunde läuft dies darauf hinaus, dass Sprecher und Sprecherinnen dahingehend geschult werden, dass sie im Umgang mit der internationalen Lautschrift der IPA (International Phonetic Association) sicher umgehen können, und tatsächlich auch korrekt umgeschriebene Skripte erhalten.