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Es ist Ihnen bestimmt schon öfter so gegangen: Man benutzt ein Wort, und plötzlich fällt einem etwas Komisches daran auf: eine Ähnlichkeit mit einem anderen – sei es aus der eigenen oder aus einer fremden Sprache. Hat "begreifen" eigentlich etwas mit "greifen" zu tun, "Verlies" mit "verlieren" (s. "Verlust")? (zur Lösung) Vielfach passiert dies im Ausland – man liest ein Wort und denkt, man verstünde es, weil es "verwandt" sein könnte mit einem bekannten. "Das kommt vielleicht von '...'."

Eselsbrücken

Vielfach dienen uns solche kleinen Theorien auch als Eselsbrücke, um etwas verstehen zu können. Es liegt ja auch auf der Hand: Wer Latein lernt, stößt schnell auf das Zeitwort "habere" wie in "Habemus papam." (~ 'Wir haben (einen) (neuen) Papst.') Also: "habere" wird mit 'haben' übersetzt – Was liegt näher, als anzunehmen, dass die beiden verwandt sind, das eine vom anderen kommt (bestimmt das deutsche vom lateinischen, denn das ist ja schon tot ...)? Oder könnte es sein, dass beide aus derselben Quelle kommen?

Wissenschaftliche Antworten

Selbstverständlich haben diese Fragen auch schon Generationen von Wissenschaftlern beschäftigt, und die Vergleichende Sprachwissenschaft ist zu den Ergebnissen gekommen, die hier sehr verkürzt und vereinfacht wiedergegeben werden: Das Deutsche stammt von einer Sprache ab, die aufgrund des Verbreitungsgebiets der davon abstammenden Sprachen – von Indien bis nach Island – Indogermanisch genannt wird. Diese soll vor etwa 6000 Jahren von einem Nomadenstamm, wahrscheinlich in der Nähe des Urals – des Grenzgebirges zwischen Europa und Asien –, gesprochen worden sein.

Von diesem umherwandernden Stamm haben sich immer wieder Sippen gelöst und sind in die verschiedensten Richtungen gewandert, wo sie friedlich oder auch in Auseinandersetzungen auf andere Stämme stießen, wobei sich die Sprachen mischen konnten: Neue Worte für unbekannte Tiere oder Werkzeuge wurden aufgenommen; auch die Aussprache änderte sich durch den Einfluss dessen, wie die neuen Nachbarn etwas sagten.

Heraus kamen nach wenigen Generationen Dialekte, die bald nicht mehr für diejenigen verständlich waren, die man damals verlassen hatte – abgesehen davon, dass dazwischen auch möglicherweise bereits Tausende von Kilometern lagen. Es handelte sich also schon um eigene Sprachen, die sich über die Jahrtausende weiter verändert, ausdifferenziert haben.

Die indogermanische Sprachfamilie und ihre Mitglieder

Die indogermanische Sprachfamilie besteht aus allen Sprachen, die auf das Indogermanische zurückgehen. Das sollen im Groben die folgenden sein:
  1. bestimmte indische Sprachen wie das Hindi,

  2. persische Sprachen wie auch das Kurdische,

  3. das Griechische,

  4. das Lateinische und seine Abkömmlinge – die romanischen Sprachen Französisch, Spanisch, Italienisch, Portugiesisch, Rumänisch, das Rätoromanische in der Schweiz, das Katalanische und Galizische in Spanien und einige weitere kleinere –,

  5. die keltischen Sprachen, die wir noch in Irland, in Schottland und Wales und in der Bretagne finden,

  6. die slawischen Sprachen (Russisch, Polnisch, Tschechisch, Slowakisch, Slowenisch, Kroatisch, Serbisch, Bulgarisch etc.),

  7. die baltischen Sprachen (Litauisch, Lettisch und das tote Altpreußisch (!) – Estnisch ist keine damit verwandte Sprache, auch wenn es die Staatssprache in einem baltischen Land ist)
  8. und neben vielen anderen, schon toten Sprachen (Hethitisch, Tocharisch, ...) auch

  9. die germanischen Sprachen.
Zu den germanischen Sprachen gehören neben dem Deutschen auch das Englische, das Niederländische (zusammen mit dem norddeutschen "Plattdeutschen" – zusammen genommen das so genannte Niederdeutsche), das Friesische und die skandinavischen Sprachen – Dänisch und Schwedisch, Norwegisch, Isländisch und Färöisch. Das Finnische wiederum ist keine indogermanische Sprache: Es ist nicht mit den skandinavischen Sprachen verwandt, auch wenn es die Staatssprache in einem skandinavischen Land darstellt.

In Europa finden wir damit nur folgende Sprachen, die nicht indogermanisch sind, also nicht von der indogermanischen Ur-Sprache abstammen und somit auch nicht mit dem Deutschen verwandt sind: Finnisch, Estnisch und Ungarisch (die alle drei untereinander eng verwandt sind, zur so genannten finno-ugrischen Sprachfamilie gezählt werden), das Türkische und das Baskische. Außerhalb Europas finden sich vor allem im vorderen Orient und in Indien indogermanische Sprachen. Zudem haben sich als Folge des Kolonialismus auch einige indogermanische Sprachen in anderen Teilen der Welt durchgesetzt: vor allem das Englische in Nordamerika, Australien und Neuseeland, das Russische in Nordasien, das Französische in Afrika und vielen Inselstaaten, das Spanische in Süd- und Mittelamerika, das Portugiesische in Brasilien und einigen afrikanischen Gebieten.

Daneben haben indo-germanische Sprachen im Zuge des Kolonialismus so genannte Kreol-Sprachen hervorgebracht: Den unterworfenen Völkern wurde wie selbstverständlich die Sprache der Eroberer aufgezwungen. Zum Teil wurden Gefangene unterschiedlicher Herkunft zur gemeinsamen Arbeit gezwungen, so dass keine gemeinsame Sprache möglich ist. Es entsteht über zwei Generationen eine eigenständige, komplexe, neue Muttersprache, die nur gewisse Züge der aufgezwungenen Sprache aufweist.

Es ist auch möglich dass sich Eltern in besetzten Gebieten dazu entscheiden, ihren Kindern von Anfang an die fremde Sprache beizubringen, damit sie bessere Chancen unter den neuen Bedingungen bekommen. Da sie selbst diese Sprache aber nur bruchstückhaft beherrschen, mischen sich für die Kinder die Einflüsse beider Sprachen: Sie entwickeln aus den Sprachtrümmern eine neue, komplexe Sprache, die eine eigene Grammatik besitzt und sich aus dem Vokabular der Muttersprache ihrer Vorfahren und der Eroberersprache zusammen setzt. Solche Sprachen finden sich über die ganze Welt verteilt. Das so genannte Tok Pisin ist sogar Staatssprache in Papua-Neuguinea. Durch Reggae-Musik ist das so genannte Patois von Jamaica ein wenig bekannt geworden.

Die Erkenntnisse über die gemeinsame Vor-Geschichte der indo-germanischen Sprachen sind durch die Forschung erhärtet und gelten als bewiesen. Zwar gibt es keinerlei Schriftfunde in der vermuteten "Ur-Sprache". Jedoch ist man davon überzeugt, dass man durch die Methode des Vergleichs der jeweils ältesten bekannten Sprachstufen und der Rekonstruktion möglicher Vorfahren der einzelnen Wörter den Wortschatz des Indogermanischen erschlossen hat.

Daher weiß man umgekehrt auch, wie die Veränderungen vor sich gingen. Das Deutsche entstand ausgehend von der Ursprache folgendermaßen: Ein Zweig des Nomadenstamms wanderte wahrscheinlich in Richtung Ostsee. Im Laufe der Jahrhunderte entwickelte sich ihr Dialekt zum Vorläufer sowohl der germanischen, als auch der baltischen und slawischen Sprachen. Durch weitere Wanderungen in Richtung Skandinavien, entsprechende Aufsplitterung und die Aufnahme von Sprechern anderer Sprachen bildete sich der Stamm der Germanen heraus, der sich wiederum über Jahrhunderte hinweg weiter ausdifferenzierte, bis auch diese sich nicht mehr untereinander verständigen konnten.

Die Westgermanen stießen irgendwann dann auf Völker, die ebenfalls eine Sprache sprachen, die vom Indogermanischen abstammte, aber überhaupt nicht mehr verständlich war: auf die Römer mit ihrem Latein und auf keltische Stämme. Auch dabei gab es wiederum massiven Einfluss, so dass das Deutsche nicht darstellbar ist ohne seinen ererbten Wortschatz und die insbesondere aus dem Lateinischen aber auch dem Slawischen übernommenen Fremd- oder Lehnwörter. Später kommen insbesondere Einflüsse aus dem Französischen und dem Englischen hinzu, aber auch ein neuerlicher durch das Lateinische in der Wissenschaftssprache.

Genauso muss man sich das Englische vorstellen als eine westgermanische Sprache (die der Angeln und Sachsen), die Einflüsse des Keltischen der ansässigen Völker aufgenommen hat, sehr lange unter normannischen, also skandinavischen Einfluss seitens der Norweger und Dänen geriet und anschließend durch das Französische geprägt wurde, bevor auch dort das Gelehrten-Latein wirkte.

Demnach gibt es also Lautentsprechungsregeln zwischen dem Deutschen und dem Latein, die uns sagen können, ob "habere" und "haben"
  1. miteinander verwandt sind oder

  2. eines als Fremdwort übernommen wurde oder

  3. beide sich zwar regelhaft, aber unabhängig voneinander und damit scheinbar zufällig aus verschiedenen Wörtern derselben Vorläufersprache zu derart ähnlichen Wörtern entwickelt haben.
Letzteres ist der Fall: Die Vergleichende Sprachwissenschaft sagt, dass das deutsche "haben" mit dem lateinischen "capere" (~ 'erfassen', 'ergreifen') ursprungsverwandt ist, das Lateinische "habere" dagegen mit dem deutschen "geben". Beide gehen demnach von ganz unterschiedlichen Quellwörter im Indogermanischen aus und haben sich in den letzten ca. 6000 Jahren den mittlerweile erkannten Entwicklungsgesetzen entsprechend, welche im einen Fall zur lateinischen, im anderen zur deutschen Sprache geführt haben, unabhängig voneinander entwickelt – mit bestimmten lautlichen Veränderungen und einigen Bedeutungsmodifikationen – und wirken heute lediglich wie ganz enge Verwandte.

Übrigens: "Verlies" kommt nicht von "verlieren", sondern von "verlassen", "begreifen" tatsächlich von "greifen".



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zuletzt aktualisiert am 22.08.2005